Zumindest kann es die Art der Erkrankung von einem Kunden, der kündigen möchte, verlangen.
Ein Sportstudio in Buchholz machte beim Amtsgericht Tostedt einen Zahlungsanspruch aus einem Fitnessvertrag geltend. Die Beklagte, die schwer erkrankt war, kündigte den Fitnessvertrag aus wichtigem Grund. Das Fitnessstudio entließ sie nicht aus dem Vertrag mit der Begründung, sie müsste die Art der Erkrankung angeben. Die Beklagte weigerte sich jedoch und legte eine ärztliche Bescheinigung vor, in dem bestätigt wurde, dass sie gesundheitlich nicht in der Lage ist, Sport zu treiben.
Das Amtsgericht Tostedt entschied mit Urteil vom 21.09.2011 AZ: 4 C 231/11, dass die Beklagte einen wichtigen Grund für die Kündigung gemäß § 314 BGB nicht substantiiert dargelegt habe. Eine ärztliche Bescheinigung reichen nach Ansicht der Amtsgerichts Tostedt zur Darlegung eines wichtigen Grundes nicht aus, da es der Klägerin aufgrund der vorliegenden Angaben nicht möglich sei, zu prüfen, ob eine wichtiger Grund in dem Sinne des § 314 Abs. 1 BGB vorläge, das dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zu vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht mehr zugemutet werden kann. Das ärztliche Attest hätte insoweit zumindest eine Diagnose enthalten müssen.
Meines Erachtens ein fragwürdiges Urteil. Auch verschiedene andere Gerichte vertreten die Auffassung, dass Mitglieder nicht verpflichtet seien, die Art der Erkrankung offenzulegen. Dies haben verschiedene Gerichte (u.a. das Landgericht Arnsberg Urteil vom 22.12.2010 Aktenzeichen: I-3S 138/19, sowie das Amtsgericht Dieburg Urteil vom 09.02.2011 – 211 C 44/09 – ) entschieden. Das Offenlegen einer Erkrankung verstoße gegen das informelle Persönlichkeitsrecht des Kunden. Nach Ansicht der Rechtsprechung hat der Schutz der Intimsphäre grundsätzlich Vorrang vor dem wirtschaftlichen Gewinn-streben.
Das Landgericht Arnsberg(LG Arnsberg Urteil vom 22.12.2010 Aktenzeichen: I-3S 138/19) vertritt die Auffassung, es könne nicht sein, dass die Kunden ihre Krankheitsgeschichte offenlegen müssen, um aus dem Vertrag zu kommen. Das widerspreche dem Persönlichkeitsschutz der Kundin.
Das Amtsgericht Dieburg (Urteil vom 09.02.2011 – 211 C 44/09 – veröffentliche über die Hessische Rechtsprechungsdatenbank http://www.lareda.hessenrecht.hessen.de Sätze 36-38). erklärt hierzu, dass die Anforderungen, die an „geeignete Belege“ zu stellen wären, nicht hoch sein können. Bei der Interessenabwägung gehe es einerseits um den Schutz der Intimsphäre des Kunden und andererseits um die Planungssicherheit des Betreibers, um erfolgreich am wirtschaftlichen Marktgeschehen teilnehmen zu können. Es führt insoweit aus, Menschen genießen bei Krankheiten Anspruch auf Geheimhaltung; Krankheiten sind deshalb schon ihrer Natur nach der Intimsphäre zuzuordnen. Die Rechtsordnung verdeutliche dies an der Verschwiegenheitspflicht von Ärzten, so dass der Anspruch strengsten Schutz genieße. Dieser Schutz der Intimsphäre habe aber grundsätzlich Vorrang vor dem wirtschaftlichen Gewinnstreben. Der Fitnessstudiobetreiber habe deshalb keinen Anspruch auf vollständige und umfangreiche Aufklärung hinsichtlich der Krankheit seines Vertragspartners, um die Wirksamkeit einer Kündigung oder die Erfolgsaussichten einer Klage überprüfen zu können. Zweifel sind nur über das Gerichtsverfahren zu klären, wobei erneut die verfassungsrechtlichen Garantien des Fitnessstudioteilnehmers zu beachten seien.
Meiner Ansicht hat der Schutz der Intimsphäre der Beklagten Vorrang vor dem wirtschaftlichen Gewinnstreben der Klägerin. Die Beklagte kann nicht dazu verpflichtet sein, Fremden gegenüber ihre schwere Krankheit zu offenbaren. Darüber hinaus unterliegen weder die Klägerin noch deren Mitarbeiter einer Verschwiegenheitspflicht, so dass die Beklagte damit rechnen muss, dass bald das „ganz Sportstudio“ über ihre Erkrankungen Bescheid weiß und sich dies über die Stadt ausweitet.
Wenn man bedenkt, dass nicht einmal ein Arbeitgeber von seinem Mitarbeiter verlangen darf, ihm die Art der Erkrankung mitzuteilen. Dafür, dass dies für ein Fitnessstudio gegenüber einer Kundin anders beurteilt werden soll, besteht kein Anlass.
Da vorliegend Rechtsmittel nicht gegeben sind, kann sich auch weiterhin Buchholz das Fitnessstudio darauf verlassen, dass die Gerichte dafür sorgen, dass Mitglieder aufgrund Krankheit kaum aus dem Vertrag entlassen werden.
© Pirko Lehmitz, Rechtsanwältin
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