Stürzt eine Radfahrerin, weil eine entgegenkommende Autofahrerin den Abstand von 1 m nicht einhält, so haftet die Autofahrerin.
Eine Autofahrerin kam einer Gruppe von Fahrradfahrer auf einem etwa 2,50 m breiten, kurvigen Weg entgegen. Zur Vermeidung einer Kollision wich die Radfahrerin nach rechts auf den Grünstreifen aus, stürzte und verletzte sich.
Das Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht entschied in seinem Urteil vom 15.04.2010 (Aktenzeichen 7 U 17/09), dass die Autofahrerin der Radfahrerin auf Ersatz des ihr aufgrund des Unfalles entstandenen Schadens hafte.
Nach Ansicht des OLG Schleswig-Holstein sei der Sturz der Radfahrerin „dem Betrieb“ des geführten Fahrzeuges zuzurechnen. Denn ob ein Unfall „bei dem Betrieb“ geschehen sei, hänge nicht davon ab, ob sich der Führer des Fahrzeuges verkehrswidrig verhalten habe, es brauche auch nicht etwa zu einer Kollision gekommen zu sein, vielmehr reiche es aus, dass das Kraftfahrzeug durch seine Fahrweise oder sonstige Verkehrsbeeinflussung zu der Entstehung des Schadens beigetragen habe. „Bei dem Betrieb“ des betreffenden Kraftfahrzeuges geschehen sei ein Unfall selbst dann, wenn er unmittelbar durch das Verhalten des Verletzten oder eines Dritten ausgelöst werde, dieses aber in zurechenbarer Weise durch das Kraftfahrzeug des in Anspruch genommenen veranlasst sei.
Zur Überzeugung des Senats stand fest, dass die Radfahrerin sich berechtigterweise durch die Fahrweise der Autofahrerin veranlasst sah, nach rechts auszuweichen. Die Autofahrerin fuhr mit zulässiger Höchstgeschwindigkeit 30 km/h, die herabzusetzen sie trotz der Tatsache, dass der Weg von mehr Passanten als gewöhnlich frequentiert war keinen Anlass sah. Selbst wenn die Autofahrerin scharf rechts gefahren wäre, verbliebe für die entgegenkommende Radfahrerin bei einer Breite des geführten Pkw von 1,50 m ein Raum von lediglich noch einem Meter. Es liege auf der Hand, dass ein Fahrradfahrer angesichts eines ihm unter diesen Umständen aus einer Kurve entgegenkommenden Pkw dessen Herankommen als gefährlich empfinde und ausweiche.
Das OLG erklärte die Autofahrerin könne sich nicht gem. § 18 Abs. 1 S. 2 StVG entlasten, weil ihr Verschulden ohne weiteres darin liege, dass sie in Ansehung der ihr entgegenkommenden Gruppe von Radfahrern zum einen nicht ihre Geschwindigkeit erheblich herabgesetzt habe, zum anderen auch nicht den Mindestabstand von einem Meter eingehalten habe. Denn als Pkw-Fahrerin war ihr ein Ausweichen auf den Grünstreifen viel eher zuzumuten, als den dadurch sturzgefährdeten entgegenkommenden Fahrradfahrern.
© Rechtsanwältin Pirko Silke Lehmitz
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