„Überwachungsdruck“ – objektiv ernsthafte Befürchtung von einer Kamera überwacht zu werden
Eine Firma für Sicherheitstechnik installierte an der Doppelhaushälfte des Klägers Videokameras zur Überwachung. Die Kameras waren unstreitig so installiert und eingestellt, dass eine Überwachung ausschließlich des eigenen Grundstücks erfolgte. Durch (manuelle) Veränderungen hätten allerdings auch Vorgänge auf dem Nachbargrundstück erfasst werden können. Weil der Kläger von seinem Nachbarn wegen dieser Kameras in Anspruch genommen wurde, verlangt er nunmehr von der Sicherheitsfirma Ersatz der ihm durch diesen Rechtsstreit entstandenen Kosten. Nach seiner Ansicht, hätte die Sicherheitsfirma ihn auf die Möglichkeit einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Nachbarn hinweisen müssen.
Der BGH vertrat in seinem Urteil vom 16. März 2010 (AZ VI ZR 176/09) die Ansicht, dass der Lieferant einer Überwachungsanlage dem Erwerber zwar vollständige Auskunft über Zustand und Eigenschaften der Anlage zu geben habe. Er sei jedoch nicht verpflichtet, auf die selbstverständliche Tatsache hinzuweisen, diese dürfe nicht derart umgestaltet werden, dass dadurch die Rechte Dritter verletzt werden. Auch hinsichtlich der rechtlichen Beurteilung unter denen die Anlage ohne Verletzung der Rechte Dritter benutzt werden darf, sei in der Regel keine Belehrung zu erwarten; insoweit müsse der Erwerber in Zweifelsfällen kompetenten Rechtsrat einholen.
Der BGH bestätigte noch einmal, dass grundsätzlich die Filmaufzeichnung mittels einer Videokamera, auch auf einem öffentlichen Weg, einen unzulässigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen darstellen könne, selbst wenn keine Verbreitungsabsicht bestehe. Bei der Installation einer Videoüberwachung auf einem Privatgrundstück müsse deshalb sichergestellt sein, dass weder der angrenzende öffentliche Bereich noch benachbarte Privatgrundstücke oder der gemeinsame Zugang zu diesen von den Kameras erfasst werden, sofern nicht ein das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen überwiegendes Interesse des Betreibers im Rahmen der Abwägung bejaht werden könne.
Auch die objektiv ernsthafte Befürchtung einer Überwachung durch Kameras gebe einen Unterlassungsanspruch. Allerdings nur, wenn sie aufgrund konkreter Umstände als nachvollziehbar und verständlich erscheine, etwa im Hinblick auf einen eskalierenden Nachbarstreit oder aufgrund objektiv Verdacht erregender Umstände. Allein die hypothetische Möglichkeit einer Überwachung durch Videokameras reiche allerdings nicht. Deshalb sei die Installation einer Überwachungsanlage auf einem privaten Grundstück nicht rechtswidrig,
- wenn objektiv feststeht, dass dadurch öffentliche und fremde private Flächen nicht erfasst werden,
- wenn eine solche Erfassung nur durch eine äußerlich wahrnehmbare technische Veränderung der Anlage möglich ist und
- wenn auch sonst Rechte Dritter nicht beeinträchtigt werden.
Nach diesem Maßstab stand dem Nachbarn der Kläger kein Unterlassungsanspruch zu, dass heißt die Leistung der Sicherheitsfirma war demnach nicht mangelhaft, so dass ein Anspruch der Kläger auf Erstattung der ihnen durch den Rechtsstreit mit den Nachbarn entstandenen Kosten verneint wurde.
© Rechtsanwältin Pirko Silke Lehmitz
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